Islamfeindlichkeit im Jugendalter

Islamfeindlichkeit als Erfahrungsraum und Einstellung junger Menschen

gefördert von

Junge Menschen sind diversitätsoffener als Menschen in anderen Altersgruppen – sie wachsen in einer Gesellschaft auf, die durch Migration und Transnationalität, religiöse und alltagsweltliche Vielfalt gekennzeichnet ist. Gleichzeitig sind sie mit Rassismus und ausgrenzenden Diskursen in Medien, Politik und ihren Lebenswelten konfrontiert. Seit zwei Jahrzehnten zeigen sich hier lauter als zuvor Zurückweisungen und Ausgrenzungen gegenüber dem Islam als Religion und gegenüber Muslim*innen und ihrer Glaubenspraxis. Antimuslimischer Rassismus ist in der Bundesrepublik Deutschland weit verbreitet.

In unserem Forschungsprojekt fragen wir, wie sich junge Menschen zu diesen Diskursen positionieren und wie sich islamfeindliche Haltungen in ihre Biographien und ihre Haltungen einschreiben.

In der Zeit von Mai 2017 bis April 2020 erforschen wir mit Unterstützung der Stiftung Mercator an den Universitäten Duisburg-Essen und Bielefeld islamfeindliche Diskurse und Positionen unter jungen Menschen.

Unser Projekt zielt darauf, die Entstehung und Verbreitung von Islamfeindlichkeit unter Jugendlichen genauer zu beschreiben und Konzepte für die Präventionsarbeit an Schulen zu entwickeln. Damit wollen wir junge Menschen zur Reflexion von islamfeindlichen Diskursen und antimuslimischem Rassismus anregen.

Gegenstand

 

Das Forschungsvorhaben zielt auf die systematische Beschreibung von Islamfeindlichkeit als Erfahrungsraum von Jugendlichen. Auf der Grundlage biographischer Interviews und einer daran anschließenden standardisierten Befragung junger Menschen im Ruhrgebiet soll das Phänomen der Islamfeindlichkeit in seinen inhaltlichen Dimensionen und Erscheinungsformen und sozialen Bedingungszusammenhängen bei jungen Menschen differenziert beschrieben werden. Damit geht die Studie über die meist standardisierte Erfassung einzelner Facetten von Islambildern und Islamfeindlichkeit in vorliegenden Studien hinaus und schafft eine geeignete Grundlage für die Kritik des Phänomens in Zusammenhängen der politischen Bildung und darüber hinaus. Das als zweiphasiger Projektzusammenhang angelegte Vorhaben zielt insgesamt auf die Entwicklung von curricularen und didaktischen Ansätzen zur schulischen Präventionsarbeit gegen Islamfeindlichkeit.

Islamfeindlichkeit

 

Islamfeindlichkeit hat in Deutschland längst eine kritische Größe erreicht: Seit Anfang der 2000er Jahre wird ein Anstieg ablehnender Haltungen gegenüber Muslim*innen gemessen, Islamfeindlichkeit ist im europäischen Vergleich in der Bundesrepublik besonders verbreitet und erreicht im Osten Deutschlands dramatische Werte (zusammenfassend Küpper/Zick/Hövermann 2013; Cakir 2014). Zugleich sind islamfeindliche Positionen in medialen und politischen Diskursen seit nunmehr einem Jahrzehnt massiv präsent (z.B. Bielefeld 2010; Jäger/Jäger 2010; Rommelspacher 2010; Schneiders 2010; Wagner 2010) und gehören damit zum alltäglichen medialen Erfahrungsraum der Menschen in der Bundesrepublik.

Islamfeindliche Positionen und die Diskriminierung von Muslim*innen bleiben unwidersprochen. Sie sind damit für junge Menschen, die aktuell in der Bundesrepublik aufwachsen, Teil ihrer Lebenswelt.

Für viele der rund 4,3 Mio. Muslim*innen in Deutschland ist Islamfeindlichkeit im Alltag in Form rassistischer Diskriminierungen spürbar, z.B. auf dem Arbeits- und auf dem Wohnungsmarkt (z.B. Orhun 2007; Schneiders 2010). Auch für das Feld der Schule sind strukturelle Benachteiligungen und Vorurteile gegenüber muslimischen Schülerinnen und Schülern seit Längerem bekannt (z.B. Gomolla/Radtke 2002; Weber 2003, 2005; Karakaşolğu 2009). Neben strukturellen und institutionellen Diskriminierungen von Muslim*innen zeigt sich Islamfeindlichkeit vor allem in gesellschaftlichen Zurückweisungen gegenüber den in Deutschland lebenden Muslim*innen als Gruppe, wie sie z.B. auf islamfeindlichen Demonstrationen und Kundgebungen, in Hass-Postings und -Kommentaren auf Social Media Plattformen oder in Äußerungen von Akteur*innen in Politik, Medien und Wissenschaft deutlich wird.

Islamfeindlichkeit kommt zugleich in Alltagsinteraktionen in Form von Angriffen gegen einzelne Personen zum Ausdruck, wenn Muslim*innen physischer Gewalt, Beleidigungen oder Drohungen durch Angehörige der Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt sind (vgl. ausführlich Kaddor 2016). Trotz dieser Bedeutung des Phänomens handelt es sich bei Islamfeindlichkeit gesellschaftlich immer noch um ein Tabuthema: Islamfeindlichkeit wird bislang in den Medien, im politischen Diskurs und auch in der Wissenschaft nur eingeschränkt thematisiert. Es fehlt damit an Kritik und an Handlungsstrategien gegen die mediale und politische Zurückweisung muslimischen Glaubens und damit verbundener Lebenswelten.

Ziele

 

Das Projekt greift das Phänomen der Islamfeindlichkeit als Erfahrungsraum und Einstellung junger Menschen auf.

Es verfolgt drei konkrete Ziele:

  • Erstens werden systematisch Formen, Facetten und biographische Zusammenhänge von Islamfeindlichkeit im Jugendalter beschrieben.
  • Zweitens werden Bedingungen des Vorkommens, der Verbreitung und der sozialstrukturellen Bedingungen von Islamfeindlichkeit geklärt.
  • Drittens werden, mit Perspektive auf ein zweites nachfolgendes Teilprojekt, erste curriclare Bausteine und Handlungsansätze für die schulische Präventionsarbeit gegen Islamfeindlichkeit entwickelt.

 

Islamfeindlichkeit verstehen wir dabei in erster Linie als gesellschaftlichen Diskurs, der Muslim*innen über ihre religiöse Zugehörigkeit vereinheitlicht und aufgrund ihres Glaubens diskriminiert. Gemeinsam mit weiteren Begriffen, wie antimuslimischer Rassismus, Islamophobie oder Muslimfeindlichkeit bezeichnet der Begriff zunächst Verschärfung von negativen Bezugnahmen auf den Islam und auf Muslim*innen in der gesellschaftlichen Diskussion, im politischen und medialen Diskurs in der Bundesrepublik und in anderen Staaten Europas.